Zwischen Tech-Hype und Schwellenangst: Was fördert die Akzeptanz neuer Technologien?
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Zwischen Tech-Hype und Schwellenangst: Was fördert die Akzeptanz neuer Technologien?

Wie wir leben, wirtschaften und konsumieren verändert sich tagtäglich. Neue, ja disruptive Technologien beflügeln die Innovationskraft und den damit verbundenen Wandel. Die künstliche Intelligenz ist wohl eines der prägendsten Beispiele der Zeit. Doch nicht allen Entwicklungen ist ein solcher Erfolg vorbehalten, wie es OpenAI mit dem Chatbot ChatGPT gelungen ist. Was braucht es, damit neue Technologien akzeptiert werden? Am Meet-up mit AMAG sind wir gemeinsam mit Expertinnen und Experten dieser Frage nachgegangen.

Wie konnte ChatGPT innerhalb von zwei Monaten über zwei Millionen Nutzer gewinnen? Und das, obwohl die Ängste rund um künstliche Intelligenz immer noch sehr präsent sind. Eine Antwort lautet: Der Chatbot ist für alle einfach und unkompliziert zugänglich. Es gibt also einen niederschwelligen Zugang zu der neuen Technologie und die Menschen können erste Erfahrungen machen. «Persönliche Erfahrungen beeinflussen alle anderen Faktoren», sagt Patrick Planing, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Technik in Stuttgart. Es sei wichtig, dass Menschen auf eine Art und Weise mit dem Produkt in Berührung kommen, es ausprobieren können und so die Technologie erleben. «Doch auch der Zeitpunkt spielt eine wesentliche Rolle», fügt Patrick Planing an. Der AI-Act, das erste KI-Gesetz, und die damit verbundene Regulation der neuen Technologie, könne ein Treiber sein, dass sie gesellschaftlich akzeptiert wird. Denn die Regulation ermögliche einen gesellschaftlichen Konsens darüber, wie die Technologie genutzt wird.

«Den Mensch im System mitdenken, hilft auch bei der Produktentwicklung», meint Meret Ernst, Vizepräsidentin Swiss Design Association. Das sogenannte Human Centered Design sei essenziell. Nebst den rein subjektiven Eigenschaften wie das «Gefallen» gehe es auch darum, dass das Produkt dem Menschen diene. Das Prototyping biete dafür eine geeignete Form, sich die «neue» Welt, das Produkt vorzustellen und es greifbar und damit erlebbar zu machen. Die Technologiefolgen-Abschätzung ist eine weitere Möglichkeit, eine Technologie fassbar zu machen. In der Schweiz liefert die Stiftung TA-Swiss fundierte Grundlagen zu den Themen Biotechnologie & Medizin, Digitalisierung & Gesellschaft und Energie & Umwelt und untersucht mögliche Auswirkungen neuer Technologien: Sie wägt ab, welche Chancen diese bieten, aber auch, welche Risiken von ihnen ausgehen.

«Wenn wir morgen Akzeptanz haben wollen, müssen wir heute die Grundlage dafür schaffen», fügt Helmut Ruhl, CEO AMAG Group AG, an und bringt es auf den Punkt: Es braucht einen guten Nährboden und die Zeit muss reif sein. Das Beispiel des Segways zeigt, wie es nicht funktioniert, zeigt Patrick Planing auf. Zum einen war 1999 die Zeit noch nicht reif für ein elektrisch angetriebenes Fortbewegungsmittel und zum anderen war das Marketing schlecht. Obwohl der Erfinder Dean Kamen mit den grossen Namen wie Steve Jobs, Jeff Bezos und John Doerr zusammenspannte, gelang es ihm nicht, seine nebulöse Ankündigung zu einem Hit zu vermarkten. Die geschürten Erwartungen wie «ganze Städte werden um diese Maschine herum gebaut» und «grossen Einfluss auf Multi-Milliarden-Dollar-Industrien» konnten mit der Enthüllung eines simplen, einachsigen Gerätes nicht erfüllt werden. Der Segway kam nie über ein Nischenprodukt hinaus.

An diesem Beispiel offenbart sich die Hürde oder die Kluft, die jede Innovation überwinden muss. Der Begriff «Kluft» hat Geoffrey A. Moore mit seinem Konzept «Crossing the Chasm» geprägt. Gemeint ist der Übergang von der frühen Phase der Produktentwicklung und dem ersten Kundenkreis (Early Adopters) hin zur breiten Masse (Mainstream-Kunden). «The chasm is a make-or-break moment for any new technology.” Zitat Marc Andreessen, Co-Founder of Andreessen Horowitz. Es geht um eine kluge Marketingstrategie, die auf einem tiefen Verständnis basiert, wie man Mainstream-Kunden beeinflusst. Auch wenn das Marketing für den Segway nicht funktioniert hat, so hat er doch den Grundstein dafür gelegt, dass heute die Städte von Elektro-Scootern überflutet werden.

Es braucht einen langen Atem, Menschen die verrückten Ideen umsetzen, gute Lobbyisten in der Politik und eine gemeinsame Vision, wie die Zukunft aussehen könnte. Das zeigt auch das Beispiel der E-Mobilität, um zurück zu unserem Gastgeber des Abends zu kommen. 1899 entwickelte Ferdinand Porsche für seinen damaligen Arbeitgeber Lohner-Werke ein Elektroauto. Nach einer Blüte der E-Autos mit der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert hat dann das günstige Benzin und die hohe Reichweite der Benziner zum Durchbruch der Verbrennungsmotoren geführt. Nach einer langen Durststrecke entdeckten mehrere Autoherstellende in den 1990er-Jahren die Elektromobilität neu. Tesla, neue Batterien, schnelles Laden, Klimadebatte und CO2-Zielwerte brachten dann den Durchbruch für die E-Mobilität. Der Nährboden ist da, die Zeit ist reif. E-Mobilität ist nach über hundert Jahren eine Technologie, die von der Gesellschaft akzeptiert wird.


Die Speaker:innen
Helmut Ruhl, CEO AMAG Group AG und Gastgeber des Abends diskutierte die zentrale Frage gemeinsam mit Meret Ernst, Vizepräsidentin Swiss Design Association, und Patrick Planing, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Technik Stuttgart. Monika Schärer hat als Moderatorin den Abend begleitet. Mehr zu den Speaker:innen finden Sie hier.


Meet-up
Gemeinsam mit unseren Platinpartner veranstalten wir jährlich die Meet-up Veranstaltungsreihe. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten beleuchten wir ein Thema und laden Vertreterinnen aus der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft ein, um im Dialog relevante Fragen zu diskutieren. Haben Sie Interesse an einer nächsten Veranstaltung teilzunehmen? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail.

Weiterführende Informationen
Link Stiftung TA-Swiss
Buchtipp: Crossing the Chasm: Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers von Geoffrey A. Moore

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Between tech hype and fear of thresholds: what promotes the acceptance of new technologies?

How we live, do business and consume is changing every day. New, even disruptive technologies are fuelling innovation and the associated change. Artificial intelligence is probably one of the most influential examples of our time. However, not all developments are as successful as OpenAI has been with its chatbot ChatGPT. What does it take for new technologies to be accepted? At the meet-up with AMAG, we explored this question together with experts.

How was ChatGPT able to gain over two million users within two months? And this despite the fact that the fears surrounding artificial intelligence are still very present. One answer is that the chatbot is easily and simply accessible to everyone. There is therefore low-threshold access to the new technology and people can have their first experiences. "Personal experiences influence all other factors," says Patrick Planing, Professor of Business Psychology at the Stuttgart University of Applied Sciences. It is important that people come into contact with the product in some way, can try it out and thus experience the technology. "But timing also plays a key role," adds Patrick Planing. The AI Act, the first AI law, and the associated regulation of the new technology could be a driver for its social acceptance. This is because regulation enables a social consensus on how the technology is used.

"Thinking about people in the system also helps with product development," says Meret Ernst, Vice President of the Swiss Design Association. Human-centred design is essential. In addition to purely subjective characteristics such as "likeability", it is also important that the product serves people. Prototyping offers a suitable way to visualise the "new" world, the product, and to make it tangible and thus experienceable. Technology assessment is another way of making a technology tangible. In Switzerland, the TA-Swiss foundation provides a sound basis on the topics of biotechnology & medicine, digitalisation & society and energy & environment and examines the potential impact of new technologies: it weighs up the opportunities they offer, but also the risks they pose.

"If we want acceptance tomorrow, we have to create the basis for it today," adds Helmut Ruhl, CEO of AMAG Group AG, and puts it in a nutshell: "It needs a good breeding ground and the time must be ripe. The example of the Segway shows how it doesn't work, says Patrick Planing. Firstly, the time was not yet ripe for an electrically powered means of transport in 1999 and secondly, the marketing was poor. Although inventor Dean Kamen teamed up with big names such as Steve Jobs, Jeff Bezos and John Doerr, he was unable to market his nebulous announcement into a hit. The expectations fuelled, such as "entire cities will be built around this machine" and "major impact on multi-billion dollar industries" could not be fulfilled with the unveiling of a simple, single-axis device. The Segway never got beyond a niche product.

This example reveals the hurdle or chasm that every innovation has to overcome. The term "chasm" was coined by Geoffrey A. Moore with his concept "Crossing the Chasm". This refers to the transition from the early phase of product development and the first group of customers (early adopters) to the broad masses (mainstream customers). "The chasm is a make-or-break moment for any new technology." Quote from Marc Andreessen, Co-Founder of Andreessen Horowitz. It's about a smart marketing strategy based on a deep understanding of how to influence mainstream customers. Even if the marketing for the Segway didn't work, it laid the foundation for cities to be flooded with electric scooters today.

It takes staying power, people who realise crazy ideas, good lobbyists in politics and a shared vision of what the future could look like. This is also shown by the example of e-mobility, to come back to our host for the evening. In 1899, Ferdinand Porsche developed an electric car for his former employer Lohner-Werke. After electric cars flourished at the turn of the twentieth century, cheap petrol and the long range of petrol engines led to the breakthrough of combustion engines. After a long dry spell, several car manufacturers rediscovered electromobility in the 1990s. Tesla, new batteries, fast charging, the climate debate and CO2 targets then brought about the breakthrough for e-mobility. The breeding ground is there, the time is ripe. After more than a hundred years, e-mobility is a technology that is accepted by society.


The speakers
Helmut Ruhl, CEO of AMAG Group AG and host of the evening, discussed the central question together with Meret Ernst, Vice President of the Swiss Design Association, and Patrick Planing, Professor of Business Psychology at the Stuttgart University of Applied Sciences. Monika Schärer moderated the evening. You can find out more about the speakers here.


Meet-up
Together with our platinum partners, we organise the annual Meet-up event series. Together with experts, we shed light on a topic and invite representatives from business, science, politics and society to discuss relevant issues in dialogue. Are you interested in taking part in an upcoming event? Then send us an e-mail.

Further information
Link TA-Swiss Foundation
Book tip: Crossing the Chasm: Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers by Geoffrey A. Moore

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